Viersen ist mehr

Foto: Stadt Viersen

Bürgermeisterin: Viersen ist mehr Rede beim Neujahrsempfang der Stadt Viersen in der Festhalle

Der Neujahrsempfang der Stadt Viersen stand in diesem Jahr unter dem Motto "Viersen ist mehr". Bürgermeisterin Sabine Anemüller begrüßte zahlreiche Gäste aus Politik und Verwaltung, aus Vereinen, Verbänden, Organisationen und Institutionen in der Festhalle.

In ihrer Rede dankte die Bürgermeisterin den vielen Bürgerinnen und Bürgern, die sich für das Gemeinwesen engagieren: "Wir sind mehr, die positiv denken und konstruktiv miteinander zum Wohle der Stadt arbeiten." Viersen sei kein Ort, an dem Neid und Missgunst auf Kosten von Minderheiten gelebt werde.

Gelebte Demokratie und eine friedliche Gemeinschaft funktionierten dort, wo Menschen mit einer positiven und hoffnungsvollen Grundstimmung die Wirklichkeit annehmen. Menschen, die um die Herausforderungen und Schwierigkeiten wissen, die aber auch wissen, wie sie die Probleme bewältigen können: "Bürgersinn, Gemeinschaft und Zusammenhalt werden bei uns groß geschrieben." Sie nannte zahlreiche Beispiele für solches bürgerschaftliches Engagement.

Mit Blick auf die verschobene Verabschiedung des städtischen Haushalts sagte Sabine Anemüller, es sei legitim, über den richtigen Weg zu diskutieren. "Nicht gut" sei aber, dass diese Diskussion nicht zum Ende des vergangenen Jahres abgeschlossen werden konnte: "Ich hoffe jedoch sehr, dass wir recht bald in diesem noch jungen Jahr zu einer politisch vernünftigen Entscheidung kommen." Die Stadt brauche einen Haushalt, der aus dem Haushaltssicherungskonzept hinaus führe " "und zwar solide und nachhaltig".

Wer die Lebensqualität in der Stadt aufrechterhalten wolle, dem müsse diese auch etwas wert sein. Sie sagte: "Wir wollen eine Stadt, in der wir gern und gut leben, eine Stadt, die attraktiv ist für Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen."

Das Manuskript der Rede:

Viersen ist mehr Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Viersenerinnen und Viersener, liebe Gäste!

Viersen ist mehr. Doch mehr als was?

Das Motto des diesjährigen Neujahrsempfangs entstand im Herbst letzten Jahres unter dem Eindruck einer politisch merklich rechtslastig gewordenen Gesamtstimmung. Ein rauer werdender Ton im Bundestag und die latente Akzeptanz populistischer Sprüche taten ihr Übriges.

Ausschreitungen in Dresden, Demos in Deutschland, Streit darüber, was wer gesagt, gemeint oder getan hat, beherrschten die Schlagzeilen.

Die Menschen fragten sich: Wie weit nach rechts sind wir gerückt und das nicht nur in Deutschland? Fragen kamen auf, ob diese Entwicklung noch weitergeht?

Aus diesem ganzen Schlamassel entwickelte sich ein wunderbarer Spruch in den sozialen Medien: "Wir sind mehr".

Menschen standen auf, eine Gegenbewegung entstand. Die sozialen Medien wurden positiv überflutet mit dem Spruch "Wir sind mehr".

Mich persönlich hat sehr beruhigt, dass wir mehr sind. Dass mehr Menschen dieses rechtspopulistische Gepöbel nicht wollen, sondern mit anderen Menschen einfach nur in Frieden leben möchten. Mich hat es nicht nur beruhigt, es hat mich beeindruckt und aus diesem Eindruck entstand das Motto für die Einladung zum diesjährigen Neujahrsempfang.

Denn nicht nur wir in Viersen sind mehr, auch Viersen selbst ist mehr. Und ich will Ihr Augenmerk darauf richten, warum das so ist und warum ich sicher bin, dass nicht nur ich das so sehe.

Denn Sie alle sind es, die für das Mehr in unserer Stadt stehen. Sie alle sind Menschen, die etwas für unsere Stadt tun.

Sie alle wollen Verbesserungen erreichen. Und Sie wissen, dass dies nur miteinander funktioniert. Nach demokratischen Spielregeln. Fair und auf Augenhöhe. Nicht auf Kosten von Minderheiten, nicht auf der Grundlage von Neid und Missgunst, nicht mit Schlechtreden von Allem, und sei es auch noch so gut.

Das geschieht immer noch auch in Viersen und insbesondere nach wie vor in den sozialen Medien. Aber auch hier sind wir gemeinsam mehr. Wir sind mehr, die positiv denken und konstruktiv miteinander zum Wohle unserer Stadt arbeiten und uns engagieren.

Darauf, meine Damen und Herren, können wir stolz sein.

Und darum gilt mein herzliches Willkommen zuvorderst Ihnen, den Menschen aus Vereinen, Verbänden, Organisationen und Institutionen in unserer Stadt. Ihnen, die sich engagieren und die ihre Zeit für andere Menschen einsetzen, die arbeiten für Dinge, die Ihnen und für unsere Stadt wichtig sind.

Ich begrüße herzlich die Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen und Behörden sowie die Vertreterinnen und Vertreter unserer Kirchen und anderer Religionsgemeinschaften.

Auch wenn die Einladung zum Neujahrsempfang im Namen von Rat und Verwaltung ausgesprochen wird, möchte ich ganz herzlich an dieser Stelle meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Stadtrat begrüßen sowie unsere ehemaligen, künftig ehemaligen und unsere neuen Beigeordneten. Und natürlich auch meine Vorgängerin und meinen Vorgänger im Bürgermeister-Amt.

Zudem heiße ich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung willkommen und nutze die heutige Gelegenheit, Ihnen zu sagen, dass ich Ihre Arbeit und Einsatzkraft gerade im letzten oft recht turbulenten Jahr sehr zu schätzen weiß. Dank auch jenen, die den heutigen Abend ermöglichen und mir zur Seite stehen.

Liebe Gäste!

Ja, auch wir sind mehr in Viersen, denn wir lassen nicht zu, dass vereinfachende Wahrheiten unseren Alltag dominieren. Wir stehen auf, wenn Sachverhalte politisch einseitig ausgeschlachtet werden.

Ich denke da zum Beispiel an eine Kundgebung im letzten Jahr, die eine private Beziehungstat für politische Stimmungsmache nutzen wollte. Wir können stolz sein, dass sich viele Menschen fanden, weitaus mehr Menschen, die sofort eine Gegen-Demo organisierten und diesem politischen Missbrauch Einhalt geboten.

Das hat mir gezeigt dass wir auch in Viersen mehr sind, die genau dies nicht zulassen.

Ja, das kann man gönnerhaft als Gutmenschentum abtun. Aber einschreiten gegen populistische Zündeleien heißt nicht, naiv zu sein. Wir wissen um die Schwierigkeiten des Miteinanders in einer Stadtgesellschaft, wir wissen um die Herausforderungen der Integration von Menschen aus anderen Kulturkreisen.

Gutmensch sein heißt jedoch, mit einer positiven und hoffnungsvollen Grundstimmung die Realitäten annehmen. Gutmenschen wissen um die Herausforderungen und Schwierigkeiten. Sie wissen aber auch, wie sie die Probleme bewältigen können. Nur so ist gelebte Demokratie und friedliche Gemeinschaft in unserer Stadt möglich.

Und nicht nur wir sind mehr. Auch Viersen ist mehr. Viersen ist mehr als eine Ansammlung unserer Stadtteile, mehr als die pure Zahl unserer immer noch wachsenden Einwohnerschaft.

Bürgerschaftssinn und Gemeinschaft und Zusammenhalt werden bei uns groß geschrieben. Weil sie uns wichtig sind.

Wenn ich an die Heimsuchung durch den Tornado in Boisheim denke im letzten Jahr, dann denke ich nicht nur an die Zerstörung, die diese Naturkatastrophe mit sich brachte. Ich denke vor allem an die Hilfsbereitschaft der Menschen in Boisheim untereinander. Da wurde nicht lang gejammert, da wurde angepackt und aufgeräumt und dem Nachbar geholfen.

Ich denke an den Boisheimer Bürgerverein, der Spenden für die Anschaffung einer neuen Viersen-blüht-Skulptur gesammelt hat. Er hat spontan entschieden, anstatt dessen die jetzt startende städtische Wiederherstellung ihres geliebten und durch den Tornado zerstörten Boisheimer Friedhofs finanziell zu unterstützen. Bürgerverein und Stadt sitzen hier an einem Tisch und überlegen, wie der Boisheimer Friedhof künftig aussehen soll. Das nenne ich Bürgerschaftssinn und Gemeinschaft.

Und wenn ich schon bei Wetterkatastrophen bin: Ziemlich genau vor einem Jahr, am 18. Januar 2018, hat uns Friederike getroffen. Insbesondere unsere grüne Lunge, die Süchtelner Höhen, hat extrem unter dem Sturm gelitten. Und damit nicht genug, die anschließende lang anhaltende Trockenheit und die damit einhergehende Borkenkäferplage haben viele Fällungen erfordert und den Wald massiv verändert und gelichtet.

Doch er wird wieder hergestellt! Besser, schöner und vor allem widerstandsfähiger. Noch in diesem Monat beginnt die städtische Wiederaufforstung.

Die Naturereignisse des letzten Jahres mag Mancher weiter leichthin als Wetterkapriolen abtun. Man sollte sie jedoch allmählich ernst nehmen als das was sie wirklich sind: Auswirkungen des Klimawandels. Das wird eines der zentralen Themen der nächsten Jahre sein, global wie auch lokal. Wir werden uns daher in Viersen noch mehr und noch stärker dem Klimaschutz widmen und Anpassungen an den Klimawandel vornehmen.

Mehr Stadtgrün, dem Klimawandel angepasstes Stadtgrün, die Einrichtung von Frischluftschneisen, mehr Anreize für den Fahrrad-Verkehr und für die E-Mobilität, für den öffentlichen Verkehr, weitere Energiesparmaßnahmen, weitere Umstellungen auf regenerative Energien. All diese Vorhaben und noch mehr werden in unsere städtebaulichen und verkehrlichen Planungen miteinbezogen. Miteinbezogen werden müssen.

Wir sind schon jetzt auf einem guten Weg dahin. Ende 2018 habe ich mit Stolz und Freude gemeinsam mit einem Team aus dem technischen Dezernat einen wichtigen Preis - den "European Energie Award" in Silber - von der Energie-Agentur NRW erhalten. Grundlage dieser Auszeichnung ist ein europaweites Zertifizierungsverfahren.

Doch es ist noch Luft nach oben, wir wollen bis zur nächsten Auszeichnungsrunde in vier Jahren Gold erreichen. Der Weg dahin ist realisierbar. Aber vor allem ist der Weg alternativlos. Wir alle haben die Verantwortung, genau JETZT etwas zu tun und auch MEHR als bisher zu tun für den Klimaschutz. Denn für unsere nachfolgende Generation wird es zu spät sein, noch etwas tun zu können.

Schon wenige Menschen können mehr bewegen. Das haben uns eindrucksvoll ein paar Visionäre bewiesen. Ich möchte Ihr Augenmerk auf die Königsburg in Süchteln richten, das Zentrum unseres neuen nunmehr dritten Integrativen Stadtteilentwicklungskonzepts - kurz genannt Insek.

Natürlich besteht das Insek aus sehr viel mehr Bausteinen als der Königsburg, aber ohne die Königsburg wäre das Insek in dieser Form nicht möglich. Denn die Grundlage für jede Stadtentwicklungs-Förderung ist bürgerschaftliches Engagement. Genau das bringt die Königsburg ein. Und nicht nur das, sie hat in Süchteln schon heute ein Feuer der Begeisterung entfacht. Alle machen mit, die Gemeinschaft ist größer und der Zusammenhalt spürbar stärker geworden. Wir haben auf die Visionäre gesetzt, haben sie unterstützt und wir hatten Erfolg mit unserem Stadtteilentwicklungs-Antrag. Ende 2018 erreichte uns der Bewilligungsbescheid des Landes NRW. Und so freue ich mich sehr, dass wir nun für 2019 den Startschuss erteilen können für alle mit der Süchtelner Bürgerschaft gemeinsam geplanten Maßnahmen.

Nennen möchte ich in dem Zusammenhang gerne noch den letztjährigen sommerlichen Höhepunkt auf dem Süchtelner Lindenplatz - das Bundes-Projekt "Kitchen on the Run". In einem Koch-Container haben zwei Monate lang Alteingesessene und Flüchtlinge gemeinsam gekocht, gegessen und sich kennen- und schätzen gelernt. Anfangs noch kritisch beäugt, wird heute sehnsüchtig nach einer Wiederholung gefragt. Denn hier wurde nicht nur Integration gelebt, hier lebte die komplette Süchtelner Innenstadt auf. Und so wird dieses Projekt als Grundlage dienen für weitere ähnliche Open-Áir-Kommunikationstreffpunkte und Veranstaltungen.

Mit integrierten Handlungskonzepten hat unsere Stadtentwicklung schon seit mehreren Jahren gute Erfahrungen gemacht: Die Viersener Südstadt ist wahrlich schöner geworden und profitiert nach wie vor vom bürgerschaftlichen Engagement, das mit Hilfe von Fördergeldern initiiert wurde.

Und wir sind noch lange nicht am Ende. Baulich stehen noch das Umfeld der Grabeskirche sowie die Erneuerung der Bahnhofstraße und der Großen Bruchstraße aus. Aber auch die bürgerschaftliche Initiative wächst. So entstand ein weiterer Verein. Das Viertel Süd macht sich, neben den Arbeitskreisen im Südstadt-Büro, gleichfalls für den Zusammenhalt und die Belebung in der Südstadt stark. Dabei werden wir den Verein mit allen Möglichkeiten unterstützen.

Der Erfolg solcher Handlungskonzepte zeigt sich auch in Dülken. Noch im alten Jahr, rechtzeitig zum traditionellen Weihnachtstreff am dritten Advent, wurde der lang ersehnte Umbau des Alten Marktes fertig. Ich hoffe von Herzen, dass er von den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie den Besucherinnen und Besuchern gut angenommen wird und sich alle von der Schönheit des Platzes begeistern lassen.

Und es geht mit Volldampf weiter in Dülken. Die einspurige Öffnung der Langen Straße für den Autoverkehr wird angegangen. Die Planungen und ersten Umsetzungsschritte zu den Impulsquartieren in der Dülkener Innenstadt stehen an. Denn wir haben erkannt, dass die Attraktivierung des Wohnens in der Innenstadt große Chancen birgt.

In Misch-Dich-ein-Workshops erarbeiten wir derzeit gemeinsam mit der Bürgerschaft die konkreten und für Dülken weiter relevanten Themen und Projekte. Ein wichtiger Punkt ist die Zukunft des Bürgerhauses. Auch dieses nicht ganz unproblematische Thema werden wir anpacken. Ich setze ähnlich wie bei der Süchtelner Königsburg ganz stark auf das bürgerschaftliche Engagement der Dülkenerinnen und Dülkener. Mit der entsprechenden politischen Unterstützung sehe ich einem realisierbaren Konzept gelassen entgegen.

Genauso gelassen aber vor allem hoffnungsvoll sehe ich der weiteren Glasfaser-Anbindung unserer Stadt entgegen. Der Anfang war - wie vorauszusehen - schwierig. Die Aufgabe ist, eine ausreichende Anzahl unserer Bürgerschaft zu überzeugen, dass Glasfaser vielleicht nicht heute aber morgen ein nahezu lebensnotwendiges Muss darstellt. Mit der schrittweisen Anbindung unserer Schulen und unserer Gewerbegebiete ist und wird ein wichtiger erster und erfolgsversprechender Anfang gemacht. Ich bin sicher, dass sich diese technische Entwicklung in naher Zukunft durchsetzen und uns alle überzeugen wird.

Denn die Glasfaser-Ausstattung einer Stadt wird in den nächsten Jahren nicht nur für das private Wohnen und Bauen DER Standort-Vorteil sein. Er ist es schon jetzt für nahezu alle Unternehmensbranchen.

Das bestätigt uns die Standortanalyse der IHK, die uns im Fazit ein positives Gesamt-Ergebnis als Wirtschaftsstandort bescheinigt. Darin werden die Glasfaser- und die verkehrliche Anbindung, aber auch der zunehmende Fachkräfte-Bedarf als wichtige Kriterien für Unternehmens-Ansiedlungen definiert. Und genau daran werden wir gemeinsam mit der IHK und der Arbeitsagentur mit einem vielfältigen Aktionsprogramm arbeiten.

Denn auch hier sind wir zusammen mehr, die ein Interesse haben, an der Zukunft unserer Stadt konstruktiv zu arbeiten. Dazu gehören sicherlich politische Unterschiede in Auffassung und Herangehensweise. Und so stehen wir auch in diesem Jahr erneut vor einer politisch bedeutsamen Entscheidung.

Wie schon beim letztjährigen Neujahrsempfang ist auch in diesem Jahr der Haushalt unserer Stadt ein großes Thema.

Einig sind wir, dass wir einen langfristig sicheren Haushaltsausgleich schaffen wollen, der endlich unsere Haushaltssicherungsphase beendet. Die politischen Geister scheiden sich jedoch an der Frage, ob dieser Ausgleich nur mit Hilfe höherer Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt erreichbar ist. Das ist legitim und das gehört zu einer Demokratie.

Nicht gut ist, dass wir diese Diskussion nicht zum Ende des vergangenen Jahres abschließen konnten und daher derzeit für 2019 keinen verabschiedeten Haushalt als Grundlage für unser Verwaltungshandeln haben. Und das hat leider Unannehmlichkeiten und das Verschiebungen von Aufgaben zur Folge.

Ich hoffe jedoch sehr, dass wir recht bald in diesem noch jungen Jahr zu einer politisch vernünftigen Entscheidung kommen. Mit einem Haushalt, der uns aus der Haushaltssicherungsphase führt und zwar solide und nachhaltig. Ein Haushalt, der nicht nur ein Jahr Stabilität bietet, sondern auch für die nächsten Jahre. Ein Haushalt, der uns nicht verführt, unser Eigenkapital aufzubrauchen. Und eins muss uns allen klar sein: Wenn wir alle gemeinsam die Lebensqualität unserer Stadt aufrechterhalten wollen, muss sie uns auch etwas wert sein. Wir wollen eine Stadt, in der wir gerne und gut leben, eine Stadt, die attraktiv ist für Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen. Das ist nur finanzierbar mit einer maßvollen Steuererhöhung und das nenne ich ehrlich und verantwortungsvoll.

Verantwortung - dazu gehört, sich zu erinnern. An die Geschichte unserer Stadt, an einen Teil unserer Geschichte, die nicht rühmlich ist. An jüdische Menschen, die in unserer Stadt lebten, ihren Wohnsitz in Viersen hatten und die im und durch das Nazi-Regime vertrieben oder getötet worden sind. An sie erinnern Stolpersteine auf den Gehwegen vor ihrem letzten Wohnsitz. Das ist in vielen anderen Städten so und zum Teil auch in Viersen.

Tatsächlich war dies aber in unserer Stadt aufgrund eines alten politischen Beschlusses nur möglich, wenn die Hausbesitzer zustimmten. Ein Versuch, diese Einschränkung abzuschaffen, scheiterte. Daraufhin regte sich Unwillen in der Bürgerschaft. Eine Handvoll engagierter Menschen erzeugte eine Bewegung, eine Welle. Wie bei "Wir-sind-mehr" stand auf einmal ein Mehr an Menschen Seite an Seite. Diese Menschen kämpften für das Ziel der Initiative, Stolpersteine ohne Wenn und Aber verlegen zu dürfen. Ausschließlich im öffentlichen Raum. Und kein Hausbesitzer - dessen privater Grund gar nicht berührt wird - sollte ein Veto einlegen dürfen.

Diese Menschen, diese Initiative kämpfte für ein Bürgerbegehren. Ein Bürgerbegehren hat es in der Geschichte unserer Stadt nur sehr selten gegeben und stellt etwas sehr Besonderes dar. Einen mehrheitlichen Bürgerwillen, den die Politik zu akzeptieren hat.

Dieses Bürgerbegehren hatte letztendlich Erfolg: Die Kommunalpolitik hat den Beschluss zurückgenommen. Das Ziel wurde erreicht, die Stolpersteine wurden verlegt. Die politischen Gemüter haben sich beruhigt. Bei der Verlegung der ersten Stolpersteine in Süchteln waren alle, auch die vorherigen Kontrahenten, dabei. Ein schöner Erfolg der Bürgerschaft und ein toller Erfolg der Initiative.

Aus dieser Initiative hat sich ein Verein gebildet, der sich der Erinnerungskultur in unserer Stadt angenommen hat. Der Verein wird die unrühmliche Zeit der Nazi-Diktatur in Viersen weiter aufarbeiten.

Erst kürzlich hat der Verein den Besuch eines jüdischen Ehepaars aus Australien organisiert. Die Gäste haben auf der Suche nach ihren familiären Wurzeln unter anderem den jüdischen Friedhof in Dülken sowie einige Stolpersteine besichtigt. Es war ein sehr bewegender Besuch.

Bei diesem Verein sind übrigens alle Menschen, die interessiert sind, bei dem Thema Erinnerungskultur mitzuarbeiten, herzlich willkommen. Das war ein Appell.

Ich komme zum Ende und möchte nun am Schluss der Band "swing-up" mit Rudi Linges, Ralf Klein-Tebbe, Tim Heinz, Uwe Krumbiegel für die wie immer hervorragende musikalische Untermalung ganz herzlich danken.

Und ich hoffe, dass Ihnen das zusätzliche musikalische Schmankerl der "White Hackle Pipes and Drums" gut gefallen hat. Ich fand sie absolut großartig und danke ihnen ebenfalls ganz herzlich für Ihre Bereitschaft, hier bei uns in der Festhalle eine Kostprobe Ihres Könnens zu präsentieren.

Ich wünsche Ihnen allen noch einen angenehmen Abend mit interessanten Gesprächen. Aber vor allem wünsche ich Ihnen und Euch allen, persönlich und im Namen des Rates und der Verwaltung, ein frohes, gesundes, ein erfolgreiches und ein friedliches Jahr 2019.

Vielen Dank.

 

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