Räumungsverkauf bei Kaisers in Viersen

Es ist Freitag, kurz vor 9 Uhr morgens. Mein Tag beginnt mit einer warmen Tasse Kaffee und als ich mir die Milch aus dem Kühlschrank greife, bemerke ich die gähnende Leere. Ein Einkauf ist dringend nötig. Ich wohne nur zwei Gehminuten von Kaisers entfernt und dank der Werbung weiß ich, dass heute Räumungsverkauf ist. 50% auf alle Artikel. Schnell die Waschmaschine anwerfen und wie üblich das Nötigste bei Kaisers holen.

Auf dem Parkplatz herrscht Chaos. Die Besucher parken in ihrer Not gegenüber an der Tankstelle. Es kommen mir einige kopfschüttelnd und mit leeren Händen entgegen. Wieder andere schieben ihre Ausbeute stolz und sichtlich zufrieden vor sich her. Ich betrete das Gebäude und sehe von weitem eine riesige Menschenmenge. Einkaufswagen und Einkaufskörbe gibt es nicht. Gut für mich, dass ich immer Beutel dabei habe. Dort packe ich meine Produkte hinein, schlendere so gut es geht gelassen durch die Gänge und reihe mich ein. Aber wo? Ich suche nach dem Ende der Warteschlange und werde schließlich an der Fleischtheke ganz hinten fündig. In diesem Moment stelle ich mir die Frage: „Tue ich mir das jetzt wirklich an, oder gehe ich unverrichteter Dinge wieder nach Hause?“. Ich beschließe, dieses Abenteuer zu Ende zu führen und es hinterher niederzuschreiben.

Aus Langeweile blicke ich mich um und beobachte all die Menschen um mich herum. Mittlerweile stehen hinter mir Käufer, die sich ebenfalls eingereiht haben, vor mir die Wartenden und immer wieder werde ich beiseite geschoben, um an die Ware zu kommen. Stets freundlich. Die Stimmung ist angenehm. Es sieht so aus, als hätte sich halb Viersen Urlaub für diesen einen Tag genommen, um einen netten Ausflug zu machen. Tatsächlich entdecke ich ganze Familien. Eine Mutter schickt ihren Jungen, geschätzte 15 Jahre alt, immer wieder auf Botengänge. Ihr Einkaufswagen ist bereits überfüllt, aber das stört nicht. Irgendwo wird sich noch ein Plätzchen für die ankommende Ware des Jungen finden.

Ungläubig vernehme ich Kinderschreien. Tatsächlich sind einige dabei, die ihre Kleinkinder mitgebracht haben. Sie sitzen in den Einkaufswagen, in den Kinderwagen oder werden gar getragen. Glücklich sieht kaum eines davon aus. Die Eltern versuchen sie mit Süßigkeiten oder Spielsachen zu beruhigen. Ich bin froh, dass meine Kinder im Kindergarten sind.

Kurz darauf höre ich eine Dame mehrmals rufen: „Wer möchte Wasser?“. Neugierig wie ich bin, lasse ich meine Einkäufe an Ort und Stelle und erkundige mich. Die Angestellten des Ladens verteilen vorsorglich Wasser. Wie mir eine Verkäuferin berichtet, hat sie von einem Kunden erfahren, dass dieser bereits 2,5 Stunden in der Schlange gestanden hatte. Man möchte nicht riskieren, dass ein Kunde dehydriert umkippt.

Die Zeit vergeht wie im Flug. Einige gaben auf und räumten ihre Ausbeute wieder unsortiert ins Regal zurück. Die Kunden sind heiter, reißen Scherze, helfen einander freundlich und schließen Warteschlange-Freundschaften. Aus einer anfänglichen Schnäppchenjagd wird ein munteres Beisammensein bei Kaisers. Ich höre mich um und erfahre von Kunden, dass sie sich teilweise extra frei genommen haben, um hier ein Schnäppchen ergattern zu können. Andere berichten mir, sie wären in Rente und hätten Zeit dafür. Die Wartezeiten pendeln zwischen einer bis drei Stunden. Man braucht das nötige Glück, die richtige Schlange zu erwischen. Ich frage hinterher eine Dame, ob sich der Einkauf denn wenigstens gelohnt hätte. Sie sieht mich nachdenklich an und antwortet lachend mit: „Nö“. Das wäre das letzte Mal, dass sie sich so einen Einkauf antut. Ich frage sie, warum sie denn nicht bereits bei der Parkplatzsuche aufgegeben hatte. Die Gier war schlussendlich größer, berichtet sie lachend.

Was denken die Mitarbeiter von Kaisers? Ich frage sie, wie sie ihren Arbeitstag empfinden. Eine Dame mag nicht antworten, sie hätte keinen Nerv darauf. Die anderen Verkäufer antworten mit „gelassen“ und „angenehm“. Eine Angestellte berichtet mir mit Tränen in den Augen von „Wehmut“. Eine Ära geht zu Ende. Netto wird die Filiale übernehmen und mit ihr auch die Angestellten. Es scheint im Moment ein kleiner Trost zu sein. Als gute und regelmäßige Kundin bin ich mir sicher, diese Leute werden das Beste daraus machen.

Nach 1,5 Stunden des Wartens stehe auch ich an der Kasse. 2 Liter Sojadrink, 2 Liter Milch, etwas Aufschnitt, etwas Käse, Bananen und Äpfel. Mehr hatte ich nicht. Hat sich das Warten für mich persönlich gelohnt? Nicht wirklich. Wiederholen werde ich das nicht. Ich freue mich darauf, alles niederschreiben zu können, kehre euphorisch nach Hause, die Waschmaschine hat ihr Programm beendet und ich stelle fest: Ich habe die Margarine vergessen. (Tanja M.)

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