Das Leben ist hart ohne Oberlippenbart

Am 13.01.2018 brennt Süchteln! MeinViersen.de schickte schon mal einen Trupp Brandschutzexperten los, um Andy, den Sänger von ELFMORGEN, vor der SÜCHTELN BRENNT Veranstaltung zu interviewen.

Andy: So Stefan, her mit den Fragen!

MV: Also, lieber Andy, here we go! Als erstes eine Frage, welche Musiker bestimmt gerne beantworten: In 150 Jahren findet ein Ausserirdischer einen Tonträger von Euch. Er steigt in sein Raumschiff, dreht die Anlage auf volle Lautstärke und lauscht den Klängen von ELFMORGEN. Was wird er seinen Kumpels berichten über Eure Musik?

Andy: Wahrscheinlich: Uaaarg Bruuaaam Pööööng Suuuuuuuuap, Brrrrra Diiiirrrrrrr

MV: Okay, magst Du uns das übersetzen?

Andy: Das ist außerirdisch und bedeutet: Hört mal, die haben früher Musik gemacht, die total authentisch und ehrlich klingt. Voll viel Energie und Texte, die man sich gerne ein paar Mal anhören sollte, um alle möglichen Dinge zu finden, die vielleicht auch zwischen den Zeilen stehen. Sie werden sich wundern und sich fragen, warum diese Band nie in den Charts war.

MV: Als Kenner von Eurer Musik unterschreibe ich das sofort! Da passt die nächste Frage phantastisch zu: Ihr seid schon einige Zeit im rockigen Geschäft unterwegs und klingt trotzdem frisch und frech, als gäbe es Euch erst seit gestern! Auch wirken Eure Auftritte immer unterschiedlich und sehr spontan... ist es eine Konzept von Euch, dem Chaos immer genug Raum zu geben?

Andy: Wir spielen jedes Konzert anders, das ist das Konzept. Es wird nie zwei gleiche Konzerte geben. Alles was passiert, passiert genau in diesem Moment, das ist eine große Stärke von uns. Wir sind spontan und möchten immer gerne eine Interaktion mit dem Publikum aufbauen. Die Leute, die vor der Bühne stehen, sollen ein Teil von dem Konzert werden. Sie werden eingebunden und wir geben ihnen das Gefühl, mitbestimmen zu können. Bei uns gibt es kein Rockstar-Getue oder irgendwelche Grenzen zwischen Band und Publikum. Wir sind wie sie und sie wie wir. Wir sind eben die normalen Typen. Das möchte die Musikindustrie aber nicht. Die Macher des Zirkus möchten Rockstars oder Popstar-Affen kreieren, zu denen man aufschaut. Das finden wir Käse. Wir spielen bei jedem Konzert um unser Leben. Das ist das, war wir machen... Wir reden auch nie von Fans oder so. Wir sind eine große Familie.

MV: Das macht Ihr VERDAMMT GUT! Ich sah Euch bisher 3x live und jedes mal war es ein neues Erlebnis, welches echt mitriss!

Andy: Wir müssen uns keinem Trend unterwerfen und dürfen noch authentisch sein, das spüren die Leute und das nehmen sie uns ab.

MV: Ihr bezeichnet Euch als "älteste Newcomerband Deutschlands". Die Begrifflichkeit alleine regt schon zum Schmunzeln an! - Habt Ihr Euch einen Zeitpunkt gesetzt, wie lange Ihr das bleiben wollt? Oder wird irgendwann daraus "die ehemals älteste, nun alteingesessene Newcomerband Deutschlands"?

Andy: Das wird nur passieren, wenn es denn mal eine ältere Newcomerband geben wird und weil wir aber noch überhaupt kein Interesse daran haben aufzuhören, werden wir den Titel wohl noch ein paar Jahre tragen. Die Ärzte sind ja auch immer noch die Beste Band der Welt, wenn die Ärzte mal aufhören sollten, werden wir den Titel annehmen und den Newcomer-Titel an eine andere Band abtreten!

MV: Das klingt fair und edel von Euch!

Andy: Siehst Du, so sind wir!

*Lautes Lachen beiderseits* ^^

Andy: Uns gibt's jetzt schon so lange, das Vergleiche mit den Rollings Stones oder den Hosen oder den Ärzten usw. durchaus angebracht sind!

MV: Wobei ich persönlich sagen würde, das bei den Stones weniger Spielfreude als bei Euch zu spüren ist! Mick Jagger trinkt nicht mal Bier auf der Bühne! Euch würde so etwas niemals passieren! *wieder Gelächter beiderseits*

Andy: Oh danke, wahrscheinlich hast Du recht... *lachen* ... Wir trinken ja auch 24 Stunden vor einer Show keinen Alkohol mehr. Das hat uns unser Tourmanager und Techniker so auferlegt. Erst dachten wir, er hat komplett die Nerven verloren, aber dann haben wir gemerkt, dass "nüchtern" zu spielen noch mal geiler ist. Alles ist so echt und fühlt sich sehr direkt an. Mit Alkohol verschwimmt vieles und man kann sich irgendwie verstecken.

Andy ergänzt: 24 Stunden haben wir aber trotzdem noch nie geschafft...

MV: Ey, das beruhigt mich!!!! Ich mag das "ungekünstelt-chaotische" besonders an Euch und bin damit bestimmt nicht alleine! Diese Frage MUSS ich stellen, auch wenn die Antwort eigentlich klar ist... Trotzdem: Wo verordnet Ihr Euch politisch und welche Verantwortung seid Ihr bereit zu tragen bzw. welche Message ist Euch besonders wichtig?

Andy: Zum Thema Politik, sind wir ganz klar gegen Nazis, ganz klar gegen Rechts, aber auch gegen Homophobie und Sexismus. Wir sehen das so, ein erhobener Zeigefinger hat noch nie etwas bewirkt, aber wir haben eine Aufgabe und eine Stimme die man erheben sollte, wenn man etwas sagen möchte. Auf Konzerten haben wir die Möglichkeit viele Leute zu erreichen. Es geht nicht darum, anderen eine Meinung zu diktieren, aber wir möchten gerne wachrütteln. Wir müssen sagen, was wir denken. Bei vielen Künstlern vermisse ich eine klare Stellungnahme. Es wird oft mit einer Wischiwaschi-Attitüde um das Problem herum diskutiert. Ich bin für klare Kante. Diese ganze Grauzonendiskussion langweilt mich. Bands wie Freiwild oder die Onkelz leben genau davon. Auf unsere Weise erreicht man eben ALLE.

MV: Wie ich halt sagte, eigentlich war die Antwort klar, aber ich dachte mir schon, dass Du das gerne noch mal klar ausformulieren möchtest, wo Ihr steht und wer ihr seid. Ich finde es persönlich gerade heutzutage äußerst wichtig, dass Bands klar Position beziehen und keine Angst haben, klare Kante zu zeigen. Wie sieht Euer Engagement bei Euch in der Gegend genau aus? Erzähl bitte mal davon!

Andy: Wir engagieren uns hier bei uns in der Region um Frankfurt in einer antifaschistischen Bildungsinitiative, hier geht es um Bildung und Aufklärung. Die Wetterau und viele Regionen im Frankfurt herum sind sehr braun geworden und wir möchten da gerne etwas gegensteuern. Und den Leuten Mut machen, dass sich das Leben lohnt, auch wenn es manchmal weh tut, seine Meinung zu sagen. Wir distanzieren uns von jeglicher Gewalt, ich finde das sehr wichtig. Gewalt erzeugt Gegengewalt und wir haben aus diesem Grund mal den Hashtag #liebestatthass ins Leben gerufen und neben einem AfD-Stand ein spontanes Konzert gespielt, damit man die hohlen Phrasen dieser Typen nicht mehr hören musste.

MV: Die waren bestimmt begeistert!?? Du hast bei unserem Gespräch beim Eier mit Speck-Festival gesagt, "man muss die Jugendlichen abholen, Alternativen zeigen"... Bekommt ihr manchmal klare Reaktionen von Leuten, die Ihr zum Nachdenken angeregt habt und die vielleicht durch Euch ihr Weltbild noch mal überdachten?

Andy: Die Antifabi, so heißt der Verein, geht mit sehr gut geschultem Personal in Schulen und Jugendzentren und macht dort eine sehr gute Aufklärungsarbeit. Sie organisieren Fahrten in diverse Konzentrationslager zur Besichtigung und planen Konzerte. Es geht darum, nicht zu vergessen, welche Grausamkeiten in diesem Land passiert sind. Ich kenne die Diskussion nur zu gut, wenn gesagt wird, das ist doch alles schon ewig her und was konnten wir denn schon dafür... klar konnte meine Generation nichts dafür, aber das ist noch lange kein Grund es vergessen oder es verdrängen zu wollen. Die letzte Wahl hat gezeigt, was alles passieren kann.


Elfmorgen - Süchteln brennt 2017, (c) Bildquadrat


MV: Da sagst du was! An die letzte Wahl denken viele mit Grausen zurück...

Andy: Schwer zu sagen, ob Leute vielleicht noch einmal umschwenken.  Ich wünsche mir aber sehr, dass dies passiert. Die Jugend langweilt sich eben heutzutage. Sie rauchen schon mit 11, saufen mit 13, kiffen mit 14 usw. Ihnen fällt es schwer zu rebellieren. Wir mussten nur die Haare grün färben und alle sind ausgerastet, heute ist dies aber eher ein langweiliger Hut. Die Kinder suchen etwas und finden dies leider zu oft in der rechten Szene. Hier ist noch vieles verboten und somit spannender für die Kids. Da muss dringend gegengesteuert werden. Wir müssen wieder attraktive Angebote für die Jugendliche anbieten.

MV: Ich denke, wer Euch mal live erlebt hat und sich begeistern ließ, der kommt erst gar nicht auf die bescheuerte Idee, nach rechts abzudriften... In der Hinsicht erzielt ihr Erfolge, denke ich.

Andy: Danke, das ist sehr nett.

Andy ergänzt: Die "modernen" Eltern sind meist nur noch Kumpels und nehmen den Erziehungsauftrag leider nicht mehr so richtig ernst. Sie möchten die Coolen sein und möglichst nichts mehr verbieten. Diese Kinder wachsen mit einer permanenten Befriedigung ihrer Bedürfnisse auf. Da muss man sich komische Sachen suchen, um mal eine Grenzerfahrung zu machen.

MV: Grenzerfahrung ist ein gutes Stichwort, Andy! Welches sind Deine oder Eure außergewöhnlichsten Erlebnisse auf Tour beziehungsweise bei Auftritten gewesen? Nenn mir einfach die drei besten der geschätzten Dreitausend...

Andy: Oh das ist die schwerste aller Fragen. Jedes Konzert ist natürlich ganz besonders. Es passieren aber manchmal doch Dinge, mit denen man nie gerechnet hätte. Da spielt man zum Beispiel ein Konzert irgendwo ganz im Norden und da tauchen Leute aus dem Süden auf, die eben mal 800km nur für Dich und Deine Band gefahren sind. Da bekomme ich Gänsehaut. Man berührt Leute so sehr, dass sie diesen Weg auf sich nehmen. Dann spielt man auf dem Eier mit Speck und wird von 2000-3000 so sehr gefeiert, dass man noch Wochen danach die Lachfalten sieht. Da sind Leute im Publikum, die sich mit einem Fitness-Fahrrad und Kostümen eine Choreografie ausgedacht haben oder vorbereitete Schilder auf Kommando hochhalten. Das Eier mit Speck 2017, war wirklich ein absolutes Highlight für uns. Nach dem Auftritt 2016 haben wir uns schon die Augen gerieben und gegenseitig gekniffen, weil wir es einfach nicht glauben konnten, was da passiert ist. Dann war da natürlich unsere erste komplett ausverkaufte Show in Frankfurt und unzählige tolle Momente mit der Kapelle Petra auf drei Touren. Aber das allerschönste ist, dass man unfassbar tolle Menschen kennenlernt, die mittlerweile viel mehr geworden sind als Bekannte. Da sind sehr viele wundervolle Freundschaften entstanden. Man lernt super viele nette Kollegen kennen, z. B. die Herren von den Abstürzenden Brieftauben, die wir auf ihrer Tour begleiten durften und und und... Und dazu kommt natürlich, dass wir mit den besten Freunden Zeit verbringen. Wir sind eben viel mehr als eine Band. Wir sind wirkliche Freunde, die alles füreinander geben. Es ist eine fast nicht enden wollende Klassenfahrt!

MV: Die Begeisterung von Dir bzw. Euch überträgt sich definitiv nahtlos auf das Publikum! Beim letzten Eier mit Speck habt ihr echt abgeräumt und das Viersener Publikum ist echt schon etwas besonderes...

Andy: Das Viersener Publikum ist der absolute Wahnsinn und ein Publikum, dass man gerne nach der Show einpacken würde und beim nächsten Festival wieder auspacken mag. Ihr wisst zu feiern. Das ist echt beeindruckend.

MV: Freut mich zu hören, dass wir Viersener Euch so zusagen! :D Und stimmt, feiern können wir alle! Bei dem Interview mit Dir auf dem Eier mit Speck - Festival ging eine ganze Flasche Jägermeister (Danke nochmals dafür!) und diverse Biere bei drauf und wir konnten noch aufrecht stehen! Das sage ich nicht ohne Stolz in der Stimme! ;) Eine Frage habe ich diesbezüglich noch: Was verbindet Euch besonders mit "SÜCHTELN BRENNT"? Habt Ihr eine besondere Überraschung für Euer Publikum aus dem Kreis Viersen parat? - Ich verrate auch nichts, EHRENWORT! ;)

Andy: *lacht*  Soviel zu der 24 Stunden-Regel... Das Süchteln Brennt war auch 2017 eine der besonderen Überraschungen. Super Organisation, tolle Bandauswahl und überall gute Stimmung und nette Leute. Das ganze gepaart mit den Feierweltmeistern. Eine Überraschung in diesem Sinne wird es vielleicht nicht geben, aber wir werden alles geben, wir bringen unsere neue EP "Kapitän" mit und vielleicht ein oder zwei neue Stücke. Wir werden Apfelschnaps von unseren Freunden von BORN IN THE WETTERAU dabei haben. Den teilen wir gerne mit den Leuten und geben die ein oder andere Flasche unter dem Hashtag #herpesfüralle rum. Das ist übrigens flüssiges Gold aus Äpfeln, die in unserer Nachbarschaft wachsen. Wir haben durch einen Zufall festgestellt, dass sich für jeden Schluck aus dieser Flasche ein Fascho zeitgleich in die Hose macht. Du kennst vielleicht das Foto mit dem Nazi im eingenässten Jogginganzug... Tja, das waren wir. Wir haben schon einmal während eines Konzertes, den gesamten AfD-Ortsvorstand einnässen lassen ;)

Andy: Wir freuen uns wie Bolle auf das Süchteln Brennt. Das wird die erste Show des Jahres und unser letztes Konzert ist dann schon 4 Wochen her. Wir sind komplett ausgehungert und unglaublich heiß auf das Ding. Wir versprechen alles zu geben!

MV: Ich danke Dir, dass Du Dir die Zeit genommen hast, lieber Andy. Wir sehen uns in Süchteln beim SÜCHTELN BRENNT! Und die Süchtelner und Viersener werden bestimmt auch alles geben! :)

Andy, bessere Schlussworte für ein Interview kann es kaum geben und Dein Versprechen nehmen wir ernst! Wir freuen uns auf den Gig und werden kräftig mitfeiern!

Andy: Stefan, vielen Dank für das nette Interview und ich würde sagen, wir wiederholen den Jägermeister-Spaß in Süchteln!

MV: Da bin ich sofort bei!! Bis bald!

Das Interview fühte Stefan Weimbs. Titelbild: Sonja Berg.
Bild unten: Andy (Elfmorgen), Stefan Weimbs (mV), Marcin (mV) - Eier mit Speck 2017

Interview mit Elfmorgen - Eier mit Speck 2017

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